Kultur

 

 
 

Stadttheater Ingolstadt


 

Profil für heute und morgen

Das Theater Ingolstadt ist nach den Münchner Bühnen das größte reine Schauspielhaus in Bayern. (Die größeren Theater in Augsburg und Würzburg werden von Oper, Schauspiel und Ballett gemeinsam genutzt). Mit rund 500 Vorstellungen pro Saison zählt es zweifellos auch zu den fleißigsten. Und dass dabei mit der Verwendung der öffentlichen Fördermittel ganz besonders sorgsam umgegangen wird, und das Theater Ingolstadt geradezu als »Musterknabe« für ökonomisches Wirtschaften gilt, hat der jüngste Prüfbericht des Obersten Bayerischen Rechnungshofes vor kurzem erneut eindrucksvoll bestätigt.

Aufgaben eines Stadttheaters

Welche Aufgaben hat ein Theater in einer modernen Industriestadt mit heute 120.000 Einwohnern und einem großen Einzugsgebiet?

Zum einen ist das Theater ein wichtiges Bildungsorgan für alle Bevölkerungsschichten, durchaus vergleichbar mit anderen öffentlichen Institutionen. Das Theater ermöglicht die Beschäftigung mit Stoffen und Werken der Weltliteratur, lässt die »Geschöpfe« unserer Kultur (und auch anderer) lebendig werden und erhält sie damit für künftige Generationen. Lebendiges Theater sucht nach den Schnittstellen zwischen einer antiken Tragödie oder Goethes »Faust« mit unserer heutigen Zeit und Weltsicht. Ideen und Einsichten vergangener Epochen werden von den Theaterschaffenden auf ihren heutigen Gehalt »abgeklopft« und überprüft. Und so wie jeder Dirigent ein Musikstück gemäß seiner Werkauffassung interpretiert, kommt auch das Theater zu unterschiedlichsten Ergebnissen. Denn Theater ist weder Museum, noch Literaturarchiv.

Theater ist aber nicht nur ein »geistiges Fitness-Center«, das Wissen und Information überträgt. Regelmäßige Theaterbesucher bildet das Theater auch in der Kunst des Sehens, das genauer Hinsehens, und damit in ihrer persönlichen Sensibilität. Häufige Theatergänger »trainieren« regelrecht ihren Kunstverstand – und erhöhen damit auch ihren Kunstgenuss. Viele Besucher halten dem Theater Ingolstadt daher schon seit Jahrzehnten die Treue!

Ein Stadttheater im besten Sinne beteiligt sich aber auch am Stadtgespräch, in dem es die relevanten Themen der Zeit auf die Bühne – und damit zur Diskussion – stellt.

Als Kommunikationsträger kommt dem Theater damit im demokratischen Prozess eine bedeutende Funktion zu. Anders als Presse und Medien versucht das Theater aber kein mögliches exaktes, faktentreues Abbild unserer Gesellschaft zu liefern, sondern vielmehr eine kunstvoll-verdichtete Zuspitzung.

Ernst Seiltgen hat mit seinen Spielplänen und den siebziger und den achtziger Jahren die notwendige Auseinandersetzung mit der deutschen NS-Vergangenheit angestoßen und dabei heftige Kontroversen geführt. Seine engagierte Pflege des kritisch-bayerischen Volkstheaters, bezugnehmend auf Marieluise Fleißer, schuf eine Gesprächsplattform zur Überprüfung des eigenen Heimatbegriffs. Für manche Besucher war diese »Politisierung« des Theaters in jenen Jahren neu und befremdend. Dennoch war politisches Theater keine Erfindung der siebziger Jahre; Theater als Gesprächsstoff für die »polis«, also die Gemeinschaft, waren bereits die griechischen Tragödien vor 2500 Jahren.

Im Sinne Ernst Seiltgens versucht das Theater Ingolstadt, seit 2001 unter der Leitung von Peter Rein, ständig neue Gesprächsanlässe zu gesellschaftlich relevanten Themen und Problemen zu schaffen. Gerade die Stücke junger, moderner Autoren beschreiben ebenso die Komplexität und Undurchschaubarkeit unserer heutigen Welt, wie auch manche heutige Inszenierung eines »Klassikers«. Wenn daraus ein Gesprächsanlass für den Theaterbesucher entsteht, erfüllt das Theater eine seiner wichtigsten Funktionen.

Ein Stadttheater will und soll natürlich unterhalten. Gut gemachte, intelligente Unterhaltung ist nicht nur ein legitimes Bedürfnis des Ingolstädter Publikums, sondern auch eine große Kunst. Wichtige Säulen sind dabei das jährliche Musical im Großen Haus, das vom Ingolstädter Ensemble gestaltet wird, ebenso wie die höchst populären Freilichtaufführungen im Turm Baur. Klassische Komödien – etwas eines Carlo Goldoni – haben dabei gleichermaßen ihren Stammplatz wie modernes Boulevardtheater, Liederabende und vieles mehr. Die Begeisterung, die das Ingolstädter Publikum dabei vielen Aufführungen entgegenbringt, sind für sich ein besonderes Erlebnis!

Unser »Star« – das Ensemble

Es gibt auch in Bayern Städte vergleichbarer Größe, etwa Aschaffenburg oder Schweinfurt, die sich zwar ein großes Theatergebäude, aber kein eigenes Ensemble »leisten«.

Das Theater Ingolstadt beschreitet – seit vierzig Jahren – da einen anderen Weg. In der Stadt gibt es ein festes Ensemble von Schauspielerinnen und Schauspielern, die Ingolstadt über viele Jahre die Treue halten. Das Publikum belohnt diese Treue mit einer besonders herzlichen Form der Zuwendung zu »seinem Ensemble«, die sich in die verschiedensten Formen äußert und sich auch rasch auf »Neuzugänge« überträgt. Diese Herzlichkeit überträgt sich umgekehrt auch auf die Schauspieler und verstärkt die Verbindung mit dem Ingolstädter Publikum. Viele Gelegenheiten werden für den Kontakt zwischen Publikum und Ensemble genutzt – Publikumsgespräche, Theaterfrühschoppen und die immer beliebteren öffentlichen Premierenfeiern im Großen Haus.

Regie im Team

Die künstlerische Entfaltung aller Ensemblemitglieder und ihrer darstellerischen Mittel wird am Theater Ingolstadt von einem Regieteam gepflegt, dem neben Intendant Peter Rein, die Regisseure Dominik von Gunten, Schirin Khodadadian und Pierre Walter Politz angehören. Daneben werden noch Gastregisseure für besondere Aufgaben verpflichtet.

Die fruchtbare Zusammenarbeit beginnt bei der Gestaltung der Spielpläne, die kontinuierlich über das Jahr in Zusammenarbeit mit Dramaturgie und Disposition erfolgt. Daneben ist aber vor allem die Begleitung des Ensembles über mehrere Jahre hinweg von großer Bedeutung, was längerfristige Arbeitsbeziehungen und –entwicklungen ermöglicht. Natürlich haben alle Regisseure ihre eigenen Arbeitsmethoden und inszenatorischen »Handschriften«. Aber eben diese Heterogenität macht – bei gemeinsam gefundener Zielrichtung – die beabsichtigte Vielfalt des Theaters in Ingolstadt aus.

Kinder- und Jugendtheater

Das enorm wichtige Theater für Kinder und Jugendliche befindet sich in Ingolstadt immer noch im Aufbau. Seit 2001 können jedoch jährlich vier bis fünf Produktionen für verschiedene Altersgruppen angeboten werden. Ebenfalls seit 2001 verstärken Theaterpädagogen das Angebot des Theaters für Schulen und Kindergärten. Das Kinder- und Jugendtheater ist ins Schauspielensemble integriert. Dies bedingt enorme Arbeitsbelastungen für einzelne Schauspieler, hat andererseits aber auch den Vorteil, dass das gesamte Ensemble von den besonderen Erfahrungen aus dem Kinder- und Jugendtheater profitieren kann.

Musiktheater-Gastspiele

Bis 1954 gab es im kleinen Behelfstheater in der Proviantstraße noch eigene Operetten-Produktionen. 1955 wurde das Musiktheater in Ingolstadt aus Kostengründen aufgegeben.

Erst mit der Eröffnung des Neubaus 1966 fanden wieder Musiktheater-Vorstellungen statt, seither in Form von Gastspielen anderer Bühnen. Den glanzvollen Auftakt machte zur Eröffnung die Bayerische Staatsoper. Im Verlauf der vierzig Jahre waren wohl sämtliche bayerischen Musiktheater in Ingolstadt zu Gast, zusätzlich gab es viele Gastspiele von Tourneeproduktionen, meist mit Ensembles aus osteuropäischen Nachbarländern. Seit 2001 konnte die Zusammenarbeit mit den bayerischen Nachbartheatern wieder verstärkt werden und so zählen das Theater Augsburg oder das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz inzwischen zu gerngesehenen Stammgästen. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit gibt es mittlerweile auch mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding im Prinzregententheater und dem Georgischen Kammerorchester. In Ko-Produktion mit dem Theater Ingolstadt entsteht mittlerweile jährlich eine Operninszenierung, die dann sowohl in Ingolstadt, also auch im Münchner Prinzregententheater gezeigt wird. Zusätzlich wird im Mozartjahr 2006 ein spartenübergreifendes Projekt mit Sängern, Tänzern und Schauspielern entstehen.

Zwischen Innovation und Tradition

Das Theater Ingolstadt verfolgt mit seinem Gesamtprogramm (einschließlich der ausgewählten Musiktheater-Produktionen) den berühmten »Spagat« zwischen Innovation und Tradition. Viel Bewährtes in der Theaterkultur ist erhaltenswert, bedarf sogar der besonderen Pflege, wie beispielweise echtes Volkstheater im Gegensatz zu volkstümelnder Kommerzialisierung.

Andererseits bleibt auch am Theater Ingolstadt die Zeit nicht stehen, so dass neue Impulse aufgenommen werden und in die Arbeit einfließen. Auch hier fügt sich das Theater somit hervorragend ein in das Gesamtbild einer aufstrebenden, modernen Industriestadt mit großem historischen Hintergrund.

Optimistisch in die Zukunft

So blickt das vierzigjährige Theater in Ingolstadt recht optimistisch in die kommenden Jahre.

Das Theater wird seine Funktion als Bildungsorgan noch weiter ausbauen, eine enge Zusammenarbeit mit den Ingolstädter Schulen soll dabei nur ein »Mosaiksteinchen« sein.

Das Theater will noch mehr das aktuelle Tagesgespräch (be-)fördern und dafür ein nachhaltiges Forum schaffen, will selbst Gesprächspartner bleiben.

Und das Theater will – mit all seinen Facetten – weiterhin das Zentrum künstlerisch-hochwertiger Unterhaltung in Ingolstadt bleiben.

Mit den beschriebenen Funktionen und Positionen kann das Theater Ingolstadt den sogenannten »weichen Standortfaktor« der Stadt maßgeblich verstärken, der für angestrebte Ansiedlung hochwertiger Industrien und des Ausbaus der Hochschulen bestimmend sein kann.

(Quelle: www.theater.ingolstadt.de)


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